Fristlose Kündigung bei Online-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zulässig

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer (ArbN), seit 2018 als IT-Consultant beschäftigt, meldete sich für den Zeitraum vom 19. bis zum 23. August 2024 arbeitsunfähig.

Zur Dokumentation seiner Arbeitsunfähigkeit erwarb er über eine Online-Plattform eine kostenpflichtige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB), umgangssprachlich auch als „AU-Schein ohne Arztgespräch“ bezeichnet. Der Erwerb erfolgte ausschließlich durch das Ausfüllen eines digitalen Fragebogens, in dem er Angaben zu seiner Tätigkeit, Symptomen und eventueller Medikamenteneinnahme machte.

Es fand zu keinem Zeitpunkt ein Kontakt zu einem Arzt statt – weder persönlich, noch telefonisch oder per Videoschalte.

Die ausgestellte Bescheinigung entsprach formal dem klassischen Muster 1b der früheren papiergebundenen AU. Als Methode der Feststellung wurden unter anderem „Privatarzt per Telemedizin“ sowie „Fernuntersuchung nur mittels Fragebogen“ angegeben.

Entscheidung des Gerichts

Das LAG Hamm hat mit Urteil vom 05.09.2025, Aktenzeichen 14 SLa 145/25, entschieden, dass, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB), die ausschließlich auf einem Online-Fragebogen ohne jeglichen direkten Arztkontakt basiert, in ihrem Beweiswert strak erschüttert ist.

Das LAG Hamm entschied ferner, dass die bewusste Täuschung des Arbeitgebers durch eine solche "scheinärztliche" Bescheinigung stellt einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellt. In solchen Fällen ist eine vorherige Abmahnung des Arbeitnehmers in der Regel entbehrlich.

Arbeitgeber sollten bei der Handhabung von AUBs, insbesondere solchen, die online erworben wurden, größte Sorgfalt walten lassen und ihre Schritte sorgfältig dokumentieren.

Wesentliche Handlungsempfehlungen

  • Kritische Prüfung: Arbeitgeber sind angehalten, bereits beim ersten Vorliegen einer AUB Unregelmäßigkeiten kritisch zu hinterfragen. Dazu gehören fehlender Arztkontakt, Hinweise auf reduzierte "light"-Versionen ohne Gespräch auf Anbieterseiten oder AUBs, deren optische Gestaltung offiziellen Mustern sehr ähnelt.
  • Zügige interne Schritte: Bei Verdacht auf Täuschung sollten umgehend interne Prüfverfahren eingeleitet werden. Dies umfasst beispielsweise Rückfragen bei der Krankenkasse, Einsicht in relevante Daten, Rücksprache mit dem Arbeitnehmer (ArbN) und die Dokumentation der Tätigkeit des ArbN während der angeblichen Krankschreibung. Eine solche Dokumentation stärkt die Beweisposition in einem möglichen Kündigungsschutzprozess.
  • Möglichkeit der fristlosen Kündigung: Bei erwiesener oder sehr wahrscheinlicher Täuschung über die Arbeitsunfähigkeit können Arbeitgeber in der Regel eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung aussprechen. Der Vertrauensbruch wird in solchen Fällen als so gravierend angesehen, dass eine Abmahnung entbehrlich ist.
  • Vorsorgliche vertragliche Regelungen: Es empfiehlt sich, in Arbeitsverträgen oder Employee-Handbüchern klarzustellen, dass eine Arbeitsunfähigkeit nur mittels regulärer ärztlicher AU-Bescheinigung anerkannt wird und dass Online-Bescheinigungen grundsätzlich überprüfbar sind.
  • Etablierung von Verifizierungsverfahren: Arbeitgebervertreter sollten darauf hinwirken, dass klare interne Verfahren zur Überprüfung der Authentizität und Rechtmäßigkeit von AU-Bescheinigungen (z.B. durch Rücksprache mit der Krankenkasse) etabliert und angewendet werden.

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