Wettbewerbstätigkeit eines Rechtsanwalts während des Kündigungsschutzverfahrens

LAG Köln (Urt. v. 24.04.2025 – 6 SLa 302/24)

Die Entscheidung des LAG Köln (Urt. v. 24.04.2025 – 6 SLa 302/24) zeigt auf, wie differenziert mit der Frage umzugehen ist, ob ein Arbeitnehmer – hier ein Rechtsanwalt – während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens in Konkurrenz zum bisherigen Arbeitgeber treten darf.

Hintergrund

Im konkreten Fall hatte ein angestellter Rechtsanwalt gegen zwei Kündigungen seiner bisherigen Arbeitgeberin, einer auf Massenverfahren spezialisierten Kanzlei, geklagt. Die erste Kündigung wurde mit wirtschaftlichen Gründen (Schließung eines Dezernats) begründet, die zweite mit einer angeblich wettbewerbswidrigen Tätigkeit des Anwalts nach Kündigungszugang.

Gerichtliche Bewertung

Das LAG Köln bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz: Beide Kündigungen seien unwirksam.

Zur ersten Kündigung:

Eine betriebsbedingte Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), wenn der Arbeitgeber eine Änderungskündigung als milderes Mittel nicht einmal ernsthaft in Erwägung gezogen habe. Allein der Hinweis auf eine Organisationsentscheidung genügt nicht, insbesondere wenn widersprüchlich oder lückenhaft vorgetragen wird, dass keine alternativen Einsatzmöglichkeiten – etwa in anderen Dezernaten – bestanden hätten.

Zur zweiten Kündigung wegen angeblich wettbewerbswidriger Tätigkeit:

Zwar dürfe auch ein gekündigter Arbeitnehmer keine unlautere Konkurrenz betreiben – insbesondere nicht durch aktive Mandatsabwerbung –, doch muss ihm eine berufliche Tätigkeit zum Erwerb des Lebensunterhalts ermöglicht werden (§ 615 S. 2 BGB i.V.m. Art. 12 GG). Der Wechsel zu einer anderen Kanzlei nach Ablauf der Kündigungsfrist sei daher zulässig, solange keine konkreten Hinweise auf Wettbewerbsverstöße, etwa die gezielte Abwerbung von Mandanten, bestehen. Diese konnte die Arbeitgeberin im Verfahren nicht substantiiert darlegen.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil unterstreicht zwei wichtige Aspekte:

  1. Pflicht zur anderweitigen Beschäftigung:

    Ein gekündigter Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, bis zur gerichtlichen Entscheidung untätig zu bleiben – im Gegenteil: Er muss sich um eine neue Tätigkeit bemühen, um böswilliges Unterlassen i.S.d. § 615 S. 2 BGB zu vermeiden.
  2. Grenze zum Wettbewerbsverbot:

    Die Aufnahme einer Tätigkeit in einer anderen Kanzlei stellt nicht per se einen Wettbewerbsverstoß dar. Arbeitgeber müssen konkrete, substanzielle Hinweise auf wettbewerbswidriges Verhalten vorbringen. Allgemeine Mutmaßungen reichen nicht aus.

Fazit

Ein Kündigungsschutzverfahren entbindet den Arbeitnehmer nicht von der Pflicht, seine Arbeitskraft wirtschaftlich zu verwerten – wohl aber von der Pflicht zur Loyalität im Sinne eines vollständigen Wettbewerbsverzichts, sofern keine konkrete Wettbewerbshandlung (z. B. Mandantenabwerbung) nachgewiesen wird. Arbeitgeber müssen hier sehr sorgfältig differenzieren, bevor sie eine weitere Kündigung aussprechen oder Verzugslohn verweigern.


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